Nina Riess: Landwirtin – und Bogenschützin!

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Erschienen erstmals September 2018, Lambda, Vereinszeitung der HOSI-Wien

Seit 2003 lebt Nina Riess mit ihrer Partnerin am Weiberhof in Goldes in der Südsteiermark, wo sie auch gemeinsam als Landwirtinnen einen Ferien- und Bildungshof für Frauen mit Hühnern, Schafen, Ziegen, Eseln, Katze und zwei Hunden bewirtschaften. Bogenschießen ist von Beginn an Teil des Seminarangebotes am Weiberhof und wird auch in dem von den beiden Frauen gegründeten Verein UBSC Artemis Steiermark in Großklein trainiert. Zum Bogenschießen ist die 1971 geborene Nina Riess im Jahr 2000 gekommen: Gemeinsam mit ihrer Lebenspartnerin Erika Hütter hat sie mit großem Interesse und Neugierde die Sportart des Bogenschießens kennengelernt. „Seit diesem Moment begleitet uns und besonders mich das Bogenschießen in besonderer Weise“, sagt die inzwischen 47jährige sportliche Bogenschützin Nina Riess. 

Als aktive Bogenschützin ist sie auch als Trainerin im Bogensport für Anfänger*innen und Fortgeschrittene aller Bogenklassen in ihrem Verein sowie als Landestrainerin der Steiermark für die KaderschützInnen tätig. 

Seit 2012 organisiert Nina Riess einmal im Jahr die „Kernöltrophy“, ein beliebtes Bogenschießturnier, in der südsteirischen Gemeinde Großklein auf einem großen Freiluftgelände. In diesem Jahr 2018 fand es gemeinsam mit den steirischen Landesmeisterschaften am 30. Juni und ersten Juli statt. Rund 80 BogenschützInnen haben teilgenommen, was einen großartigen Erfolg für das Turnier signalisiert.

Für ihren Hochleistungssport als Bogenschützin investiert Nina Riess in der Regel 30 Stunden pro Woche in ihr persönliches Training: Sie trainiert zwei Drittel dieser Zeit direkt am Schießplatz, den Rest der Zeit macht sie Ausdauer- und Kraftsport. Radfahren und im Winter Langlaufen gehören zu ihrem regelmäßigen Ausdauertraining, das Krafttraining findet im Fitnesscenter statt und auch ihr mentales Training ist stets im Alltag eingeplant. „Vor allem Selbstzweifel sind im Bogensport hinderlich, denn nur mutig kann ein guter Schuss gelingen“, sagt Riess. Je besser eine Bogenschützin werde, desto mehr will sie auch schaffen, was aber auch zu mehr persönlichem Druck führe. Beim Bogenschießen sei es daher wichtig, die richtige Mischung zwischen „cooler Gelassenheit“ und dem „aktiven Wollen“ zu erreichen, sagt Riess. Für ihr persönliches Training profitiere sie aber auch von ihrer Arbeit als Trainerin im Bogenschießsport, denn dadurch beschäftigt sie sich laufend mit den Basiskenntnissen der Sportart, was sich auf ihr eigenes Training positiv auswirkt, sagt die Bogenschützin. Jedoch ist Nina Riess zeitlich auch mit ihrer Vollzeitarbeit als Landwirtin im Dauereinsatz und sagt: „So eine Arbeitswoche mit zusätzlich 30 Trainingsstunden im Durchschnitt ist schon sehr dicht. Die Entscheidung eine Olympia Teilnahme 2020 in Tokio zu versuchen ist mit der Zeit gewachsen.“ Das bedeute allerdings jahrelanges intensives Training, viel Verzicht auf andere Aktivitäten, großes Verständnis und viel Unterstützung von Seiten ihrer Partnerin, sagt sie, die ihr internationales Debut im Jahr 2015 hatte; seit dieser Zeit ist sie Mitglied im Nationalteam.

Bogenschießen: Von der Jagd zum Olympischen Sport

„Zu Beginn der Menschheit diente das Bogenschießen der Nahrungsbeschaffung und später der kriegerischen Auseinandersetzung, jedoch heute dient Bogenschießen den sportlichen, therapeutischen und meditativen Zwecken“, dokumentiert der österreichische Bogensportverband auf seiner Webseite und versucht sowohl dem Leistungs- als auch dem Breitensport Entsprechendes anzubieten. Bogenschießen ist eine Sportart, die bereits seit dem 16. Jahrhundert ausgeübt wird, aber erst seit dem Jahr 1972 nehmen die BogenschützInnen wieder an der Olympiade teil, jedoch nur mit dem Recurvebogen. Außerdem dürfen seit dem Jahr 1972 erstmals auch Frauen an der olympischen Disziplin des Bogenschießsports teilnehmen, obwohl bereits im Jahr 1894 Alice Lengh als außergewöhnlich erfolgreiche und herausragendste britische Bogenschützin galt. Heute sind die Koreanerinnen in der olympischen Disziplin des Bogenschießens herausragend, aber auch viele andere Nationen haben Topathletinnen, sagt Riess. Schließlich landeten bei den 31. Olympischen Spielen im Jahr 2016 in Rio de Janeiro gleich drei Koreanerinnen auf den ersten acht Plätzen beim olympischen Bogenschießen, und die Koreanerin Chang Hye-jin wurde Erstplatzierte. In Korea ist Bogenschießen, wie in Österreich das Schifahren, ein Volkssport. Aber auch in Europa gibt es eine enorme Dichte an sehr guten Bogenschütz*innen. So wurde Lisa Unruh aus Deutschland bei der letzten Olympiade 2016 Zweitplatzierte. Laurence Baldauff erreichte, nach 24 Jahren erstmals als einzige österreichische Bogenschützin bei einer Olympiade, zumindest die Vorrunde auf dem 41. Platz, mit 619 Ringen. „Das Bogenschießen ist bei uns für fast alle ein Amateursport, neben der beruflichen bezahlten Arbeit“ sagt Riess. Derzeit sind in Österreich nur drei Männer hauptberuflich als Bogenschützen im Heeressportzentrum. In Korea hingegen ist der Bogenschießsport gesellschaftlich im System gut verankert und bereits sehr kleine Kinder werden gut gefördert und unterstützt. Auf die Frage, warum es nicht gleich viele Männer wie Frauen im leistungsorientierten Bogensport gibt, sieht Riess auch das herrschende Gesellschaftssystem mit als grundlegende Ursache, denn Frauen sind es gewohnt, soziale Aufgaben vor ihr eigenes Weiterkommen, ihr Training, zu stellen.

„Es ist wichtig, sauber und technisch einwandfrei zu schießen, und das Material gut zu beherrschen“, sagt die Trainerin Riess. Grundsätzlich ist der Schuss bei allen Arten von Bögen der Gleiche, nur die Zielmethoden und auch die Bauweisen sind unterschiedlich. Riess hat von Anfang an, vor allem als Technikerin und wegen der edlen Schönheit, Gefallen am Recurvebogen gefunden, auch ihr erster Trainer, selbst olympischer Bogenschütze, hat sie dabei mitgeprägt.

Früher wurden die Distanzen beim olympischen Bogenschießen zwischen Frauen und Männern noch unterschiedlich geschossen. Seit der Olympiade im Jahr 2000 schießen aber alle olympischen Bogenschütz*innen, unabhängig vom Geschlecht, die gleiche Distanz von 70 Metern bei den Wettkämpfen, bei denen zwei Qualifikationsrunden, mit jeweils sechs mal sechs Pfeile, durchgeführt werden. In einer sogenannten Passe müssen die sechs Pfeile in vier Minuten geschossen werden. Nach insgesamt 72 Pfeilen gibt es ein Ranking, maximal 720 Ringe können geschossen werden, dabei zählt die Zehn, das ist die sogenannte goldene Mitte auf der Zielscheibe, am Meisten. Bei internationalen Wettbewerben schießen die besten Bogenschütz*innen oft 680 oder 690 Ringe. Im Anschluss an die Qualifikationsrunden finden die Finalrunden in einem K.O.-System statt: Die Erste schießt gegen die Letzte, die Zweite gegen die Vorletzte. In den Matches werden nur mehr drei Pfeile in zwei Minuten geschossen. Um überhaupt gewinnen zu können muss eine Bogenschützin oder ein Bogenschütze in den Qualifikationsrunden zumindest den sogenannten „Cut“ schaffen, um in das Finale einzusteigen.

Für Riess geht es nun vorerst im Juli nach mehreren nationalen Turnieren mit ihren Teamkolleg*innen zum Weltcup nach Berlin, dort wird sie versuchen, ihre Leistung bestmöglich abzurufen. Der Weg nach Tokio 2020 ist aber noch ein weiter, ob es geschafft werden wird, noch unklar. Dennoch: Ziele müssen verfolgt werden, um Wirklichkeit werden zu können. Riess hat sich auf den Weg gemacht und geht diesen mit Zuversicht, gemeinsam mit ihren Teamkolleg*innen, um das Bestmögliche aus sich herauszuholen.

Bildquellen: Adam Mccoid/unsplash, Nina Riess

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